»Das Schwarze Buch, 2« von Anja Nowak und Arnold Berger basiert auf den Aufzeichnungen von Personen unterschiedlichen Alters, Ge- schlechts, heterogener Herkunft und Muttersprache, die gebeten wur- den, die Worte »Das Schwarze Buch« für eine Audio-Aufnahme aus- und einzusprechen. Die entsprechenden Sprachdateien wurden dann in ein Audioprogramm importiert, das es ermöglichte, die Schallwellen der eingesprochenen Worte visuell aufzuzeichnen. Diese Schallwellen- aufzeichnungen lieferten das visuelle Material für Nowak und Berger, um damit ein Buch zu gestalten, das die aus- und eingesprochenen Worte in einer Form wiedergibt, die sich dem herkömmlichen Begriff einer Schrift oder Lesbarkeit entzieht. Was sich »zeigt«, sind Notati- onen, die visuell erfasst aber nicht zugeordnet werden können – we- der einer konkreten Person noch einer Stimme oder einem Wort, von dem nur die Schallwellen übrig bleiben. Die Übersetzung des akus- tischen Ausgangsmaterials in eine visuelle Partitur neutralisiert und verschweigt die Bedeutung, die mit den Worten »Das Schwarze Buch« zum Ausdruck gebracht werden könnte. Die visuelle Spur verschluckt ihre phonetische Herkunft genauso wie den Sinn, der mit den Wörtern noch in Verbindung gebracht werden könnte. Die aufgezeichneten Stimmen verstummen, um in einem anderen Licht in Erscheinung tre- ten zu können: Dieses Licht beleuchtet deren Differenz obwohl sie das Gleiche sagen, die gleichen Wörter aussprechen. Die Zeichnung der Schallwellen konzentriert sich auf die Stimmen unabhängig davon was sie sagen, entkoppelt von ihrem semantischen Gehalt. Sie sagen alle das Gleiche, nur anders, wiederholen die gleichen Wörter, um doch nur »die feinen Unterschiede« zu betonen, die dem vermeintlich Glei- chen inhärent sind. Suggeriert die Verwendung der gleichen Sprache und der gleichen Wörter ein Moment des Gemeinsamen, das Vermei- nen eines Verstehens über die individuellen Differenzen hinweg, so spricht aus der Aufzeichnung der Stimmen ein polyphoner Chor, der das Ungleiche im Gleichen zum Ausdruck bringt. Sie sagen das Glei- che und sprechen untrennbar von etwas anderem, von einer Differenz, die sie gemeinsam haben. Das Schwarze Buch ermöglicht den Augen, in diese »Gem/einsamkeit« hineinzuhören.

Text: Andreas Spiegl

Schwarzes Buch 2

Künsterlinnenbuch mit Anja Nowak, 128 S. Eigenverlag, 2021, 30 x 15 cm

Edition: 41 + 3 AP

 

Künsterlinnenbuch mit Anja Nowak, 128 S. Eigenverlag, 2021, 14,8 x 10,5 cm

Edition: 50 + 2 AP